WELTGo!
Journalismus neu erleben und produktiver werden
Ihr Assistent Journalismus neu erleben und produktiver werden
WELTGO! ENTDECKEN
  1. Home
  2. Geld
  3. Grexit: Jeder Deutsche hat Griechenland 1135 Euro geliehen

Geld Euro-Austritt

Das 330-Milliarden-Endspiel um Griechenland beginnt

Quelle: Infografik Die Welt
Die Finanzminister beraten in Brüssel über das Schicksal Griechenlands. Bei einem Austritt aus der Währungsunion drohen den Euro-Ländern hohe Verluste. Die Deutschen würde es besonders treffen.

Die Euro-Mitgliedschaft Griechenlands steht auf Messers Schneide. In der jüngsten Zuspitzung des Schuldenstreits hat die griechische Regierung eine Nachbesserung ihres Kreditantrags ausgeschlossen. Damit geht es am heutigen Freitag um alles oder nichts. Die Euro-Finanzminister wollen am Nachmittag auf einem Sondertreffen über die finanzielle Zukunft Griechenlands beraten.

Für beide Seiten steht viel auf dem Spiel. Wenn Griechenland keine neuen Gelder bekommt, scheint ein Staatsbankrott noch in diesem Frühjahr wahrscheinlich. Das könnte leicht zur Folge haben, dass Athen eine eigene Währung einführen muss, um das Finanzsystem am Laufen zu halten. Schon im März steht die Rückzahlung eines Milliardenbetrags an den Internationalen Währungsfonds (IWF) an.

Zwar bleibt die Möglichkeit, dass der griechische Staat die Zahlung an den Währungsfonds verweigert und dennoch im Euro bleibt. Doch selbst das wäre nur ein Aufschub. Denn die Banken des Landes hängen an Notfallkrediten der Europäischen Zentralbank (EZB), und die darf die EZB nur aufrechterhalten, wenn das Land noch solvent ist. Eine Zahlungsverweigerung an den IWF jedoch wäre gleichbedeutend mit einer solchen Insolvenz.

Mehr als 330 Milliarden Euro im Feuer

Während es für Griechenland um sehr viel geht, müssen sich auch die Euro-Partner im Fall eines Grexit auf Verluste einstellen. Grexit ist die an den Kapitalmärkten inzwischen eingebürgerte Bezeichnung für einen griechischen Euro-Exit.

Alle Euro-Länder haben in Hellas über die verschiedenen Rettungsvehikel, Kredite und das Euro-System der EZB gut 330 Milliarden Euro im Feuer. Das entspricht rund 3,4 Prozent der Wirtschaftsleistung der Euro-Zone. Seit dem Jahr 2012 haben sich die Verbindlichkeiten Athens um 40 Milliarden Euro erhöht, wie die britische Bank Barclays ausgerechnet hat.

„Was die Euro-Staaten da im Feuer haben, ist nicht ganz zu vernachlässigen“, sagt Thomas Harjes, Stratege bei Barclays. Er hält das Volumen dennoch für handhabbar, da die meisten hellenischen Schuldtitel nicht mehr bei privaten Geldgebern liegen, sondern beim öffentlichen Sektor, also Staaten und ihren Institutionen.

Die Banken haben das Risiko abgeschoben

Beim Ausbruch der Schuldenkrise hatten die privaten Banken Europas Griechenland-Forderungen im Wert von circa 260 Milliarden Euro in ihren Büchern stehen. Heute sind es weniger als 30 Milliarden Euro. Der Hauptschaden durch den Bankrott Griechenlands würde also den Staaten entstehen. Eine Finanzkrise als Folge von ausgebombten Bankbilanzen wäre diesmal also unwahrscheinlich.

Doch für die deutschen Steuerzahler würde es teuer. Im Fall eines Totalverlusts müsste die Bundesrepublik die gesamten 93 Milliarden Euro abschreiben, was rund einem Drittel des Bundeshaushalts entspricht.

Deutschland hat Griechenland seine finanziellen Hilfen in den letzten Jahren bilateral, über Rettungsfonds, das Eurosystem und den IWF, zur Verfügung gestellt. Das meiste Geld, nämlich 48 Milliarden Euro, steckt im Rettungsfonds EFSF.

Totalverlust ist unwahrscheinlich

Anzeige

Über bilaterale Kredite hat Berlin noch mal 15,2 Milliarden Euro für Athen eingeräumt. Über Verluste bei der EZB könnten auf Deutschland zudem weitere gut 23 Milliarden Euro zukommen. Rechnerisch entsprechen die 93 Milliarden einem Verlust von rund 1135 Euro pro Bundesbürger.

So sieht Griechenlands Forderung aus

Europa sucht nach einer Lösung in der griechischen Schuldenkrise: Ein Antrag aus Athen wird von Bundesfinanzminister Schäuble abgelehnt. Jetzt wollen die Finanzminister in Brüssel erneut verhandeln.

Quelle: N24

Ein solcher Totalverlust ist bei Staatspleiten relativ selten. Im Durchschnitt können die Gläubiger ein Drittel ihrer Forderungen eintreiben, allerdings kann es erfahrungsgemäß Jahre oder Jahrzehnte dauern, bis der Schuldner zahlt.

Zu bedenken ist: Ein Teil der Verluste würde nicht sofort eine Loch in den Bundeshaushalt reißen. Die Verluste der Europäischen Zentralbank (EZB), allein 20 Milliarden Euro aus Anleihenkäufen und rund 70 Milliarden durch Notfallkredite an griechische Banken, müssten nicht sofort durch die Euro-Mitgliedsstaaten getragen werden.

Keine Angst vor Ansteckung

Wir sind der Meinung, dass ein Grexit keine direkte Ansteckungsgefahr in dem Maße birgt, die andere Staaten aus der Euro-Zone treiben würde
Moritz Kraemer, Standard & Poor’s

Zwar beläuft sich das eingezahlte Eigenkapital der EZB nur auf 7,6 Milliarden Euro, sodass die Griechen-Verluste leicht den gesamten Kapitalpuffer ausradieren könnten, jedoch kann eine Zentralbank nach Auffassung der meisten Finanzexperten auch mit „negativem Kapital“ operieren.

Weitaus größere Risiken kämen auf den deutschen Steuerzahler zu, wenn Pleite und Euro-Austritt Griechenlands eine Kapitalflucht aus anderen Staaten der Währungsunion nach sich ziehen würde. Die Gefahr ist nach Ansicht der meisten Beobachter gering.

„Wir sind der Meinung, dass ein Grexit keine direkte Ansteckungsgefahr in dem Maße birgt, die andere Staaten aus der Euro-Zone treiben würde“, schreibt Kreditanalyst Moritz Kraemer von der führenden Ratingfirma Standard & Poor’s in einer Einschätzung.

Spanien, Irland und Co. haben das Vertrauen der Anleger

Während die Zinssätze für griechische Staatsschulden in den letzten Monaten entsprechend der Unsicherheit über Griechenlands Verhältnis mit seinen Geldgebern seit der Ankündigung der Neuwahlen im Dezember nach oben gesprungen sind, haben sich die Anleiherenditen der Peripheriestaaten Italien, Irland, Portugal und Spanien auf Rekord-Tiefststände vermindert. Das Königreich Spanien musste am Donnerstag zum Beispiel nur 1,62 Prozent Zins auf zehnjährige Schuldtitel zahlen. Im Fall Griechenlands liegt der Zins bei knapp zehn Prozent.

Anzeige

Dies war sechs Monate vor dem Zahlungsausfall Griechenlands im Jahr 2012 noch ganz anders, als sich ihre Renditen der Südstaaten eher parallel bewegten.

„Diese Divergenz liegt nicht zuletzt daran, dass die Rettungsarchitektur der Euro-Zone heute robuster ist, verglichen mit 2012 und dem damals drohenden Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone“, sagt Kraemer. Inzwischen hätten die politischen Entscheidungsträger den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM eingeführt, der die Staaten der Euro-Zone nach einem hypothetischen Austritt Griechenlands finanziell unterstützen kann.

Die jüngsten Erfolge Irlands und Portugals bei ihren Anpassungsprogrammen haben die europäischen Regierungen dazu ermutigt, diese Unterstützung bei Bedarf auch weiterhin zu bieten.

Investoren erwarten keine anderen Euro-Austritte

Auch die Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kommt zu Schluss, dass internationale Banken nur noch wenig Geld an Griechenland und seine Banken verliehen haben. Die Nationalbank Griechenlands berichtet, dass die in der Euro-Zone ansässigen Finanzinstitute ihr Engagement in den letzten Monaten weiter heruntergefahren haben. Das Engagement entsprach zuletzt nur noch 0,2 Prozent der Bilanzsumme.

„Nicht möglich, Kosten auf andere zu verteilen“

Deutliche Worte vom Vizekanzler: Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel äußert sich N24-Interview zur Politik der neuen griechischen Regierung.

Quelle: N24

„Das Missverhältnis zwischen den Renditen griechischer Staatstitel und denen anderer Staaten der Euro-Zone weist darauf hin, dass auch Investoren von einem geringen Risiko ausgehen, dass andere Euro-Zonen-Mitglieder einen Währungswechsel in Erwägung ziehen könnten.

„Standard & Poor’s ist der Meinung, dass die finanzielle Belastung eines Grexit auf die verbleibenden Mitgliedsstaaten der Euro-Zone moderat wäre und mit der Zeit absorbiert würde, wir gehen daher nicht davon aus, dass ein Grexit signifikante Auswirkungen auf die Ratings dieser Staaten hätte“, sagt Moritz Kraemer.

Malta drohen große Verluste

Dennoch würde eine Staatspleite und ein Euro-Exit Griechenlands manche Staaten der Euro-Zone prozentual stärker treffen als Deutschland. Malta könnte zum Beispiel Verlust in Höhe von fünf Prozent seiner Wirtschaftsleistung erleiden.

Auch gilt nur für die wenigsten Länder, was für Deutschland gilt: dass der Staatshaushalt ausgeglichen ist. Nach Prognosen der Ratingagentur Fitch dürfte die Neuverschuldung von Spanien und Frankreich in diesem Jahr auch ohne Grexit bereits bei über vier Prozent liegen, die Schuldenquote beträgt bei beiden Ländern rund 100 Prozent. Beide Länder dürften wenig Neigung verspüren, ihre Verbindlichkeiten durch eine Griechenland-Pleite zu erhöhen.

Das erklärt auch, warum manche Euro-Staaten trotz der relativen Ruhe an den Märkten weniger geneigt sind als Deutschland, Griechenland im Zweifel sich selbst zu überlassen.

Mehr aus dem Web
Neues aus der Redaktion
Auch interessant
Mehr zum Thema